Geschichte lebendig



Anlässlich der TU-Night 2018 fand die Veranstaltung „Geschichte lebendig – TU-Berühmtheiten geben sich die Ehre“ statt. Jeweils nach dem Auftritt der begabten LaienschauspielerInnen wurden ausgewählte Quellen aus Universitätsbibliothek und -archiv erläutert.
Im Einzelnen waren dabei:
Carl Mühlenpfordt (1878 bis 1944) ein bekannter Reformarchitekt, der in Braunschweig u. a. das AOK-Gebäude Am Fallersleber Tor gebaut hat (1929-1931) und die elektrotechnischen Institute. Auch in Lübeck, wo er 1910 zum Baurat ernannt wurde, existieren noch zahlreiche Gebäude von ihm. Ab 1914 war Mühlenpfordt als Professor für mittelalterliche Baukunst und ab 1923 für Hochbau und Baukunst an der TH Braunschweig tätig, 1925 bis 1928 überdies als Rektor. Er geriet mit den Nationalsozialisten in Konflikt und wurde 1934 vorzeitig entlassen. Seine Frau Anna Dräger war eine bekannte Malerin. Dr. Markus Mittmann, Architekturhistoriker verkörperte Carl Mühlenpfordt eindrucksvoll, einschließlich des „klören“ Braunschweiger „A“.
PS: Im September 2018 wird es im Städtischen Museum Braunschweig eine Ausstellung über Carl Mühlenpfordts Architektur geben.
Ihm folgte Abt Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709 bis 1789) alias Malte Bei der Wieden. Hochwürden berichtete ganz offen aus seinem beruflichen, aber auch privaten Leben und scheute sich dabei nicht, finanzielle Probleme anzudeuten. So habe er sich über die Ernennung zum Abt des Klosters Riddagshausen 1752 (eine damals gut dotierte Stelle) letztlich in jeder Hinsicht gefreut. Dass er zu den bedeutenden deutschen Aufklärungstheologen gehörte, blieb nicht unerwähnt. Die Herzen der Anwesenden rührte Hochwürden mit der tragischen Geschichte seines Sohnes Karl Wilhelm, der sich 1772 das Leben nahm. Zum Leidwesen des Abtes verarbeitete Goethe, den er übrigens nicht sonderlich mochte, diese Tragödie im Roman „Die Leiden des jungen Werthers“.
Fräulein Dr. Agnes Pockels (1862 bis 1935), überzeugend dargestellt von Johanna Hickmann, führte den anwesenden Zuschauerinnen vor Augen, wie leicht sie es doch heutzutage in der akademischen Welt haben. Denn Agnes Pockels überprüfte neben der Haushaltsführung und Pflege der Eltern beim Geschirrspülen die eine oder andere Hypothese zum Thema Oberflächenphänomene. Dazu fertigte sie mit schlichten Mitteln 1882 eine Messapparatur an, die noch heute in abgeänderter Form von der Wissenschaft genutzt wird. Unterstützung fand sie vor allem in ihrem jüngeren Bruder Friedrich, der im Gegensatz zu ihr Physik studieren durfte und Professor wurde. Ein weiterer Förderer war Lord Rayleigh, dem sie ihre Erkenntnisse in einem langen Brief schilderte. Rayleigh sorgte dafür, dass ìhre Entdeckungen in der renommierten Fachzeitschrift Nature 1891 abgedruckt wurden. Nun endlich erhielt sie auch in Deutschland die gebührende Anerkennung und veröffentlichte weitere Forschungsergebnisse. Auf ein Studium verzichtete sie wegen der Pflege ihrer Eltern. Wenige Jahre vor ihrem Tod erhielt sie 1932 die Ehrendoktorwürde der TH Braunschweig und den Laura R. Leonard-Preis der Kolloid-Gesellschaft für ihre überragenden wissenschaftlichen Leistungen.
Seit 1993 verleiht die TU Braunschweig die Agnes-Pockels-Medaille für Verdienste um Förderung von Lehre und Studium.
 
Claudia bei der Wieden