Albert Einstein und der Vieweg-Verlag

Bereits zu Lebzeiten galt Albert Einstein als überragende Persönlichkeit und war nicht nur einer der bedeutendsten sondern auch einer der bekanntesten Wissenschaftler; ein Status, den Albert Einstein noch heute 67 Jahre nach seinem Tod am 18. April 1955 innehat. Auch mit unumstrittenem Sonderstatus in den Naturwissenschaften war er in erster Linie Wissenschaftler und betätigte dementsprechend als wissenschaftlicher Autor. Der folgende Blogbeitrag stellt Albert Einsteins Wirken als Autor im Vieweg-Verlag vor, dessen Bestände in unserem Universitätsarchiv verwahrt werden.

Albert Einstein als Autor

Albert Einstein galt spätestens ab 1919 mit der erbrachten experimentellen Bestätigung seiner Relativitätstheorie als lebende Legende und esine Veröffentlichungen wurden von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt.1
Dennoch strebte Einstein keine Zweitkarriere als Autor von populärwissenschaftlichen Sachbüchern an, ganz anders als heutige bekannte Naturwissenschaftler:innen wie Harald Lesch oder Florian Freistetter, welche regelmäßig von den Spitzenplätzen der Bestsellerlisten des Buchhandels grüßen. Seinen über 300 wissenschaftlichen Arbeiten in Fachzeitschriften zwischen 1901 und 19542 stehen nur acht Bücher gegenüber, die Einstein unter seinem Namen veröffentlichte.3 Dabei handelt es sich nur bei seiner Dissertation und „Über die spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie“ aus dem Jahr 1917 um monographische Werke, die anderen Bücher sind Sonderdrucke oder in Buchform gegossene Vorträge.4

Der Vieweg-Verlag

Der Vieweg Verlag wurde 1786 von Friedrich Vieweg in Berlin gegründet, welcher den Firmensitz zehn Jahre später nach Braunschweig verlegte, wo sein Schwiegervater Johann Campe eine Schulbuchhandlung betrieb. Der Verlag entwickelte sich zu einem der führenden Wissenschaftsverlage im naturwissenschaftlichen-technischen Bereich. In ihm veröffentlichten mehr als 30 Nobelpreisträger:innen, neben Albert Einstein u.a. Otto Hahn oder Max Planck. 1922 wurde der Verlag in eine Familien-Aktiengesellschaft umgewandelt und nach einigen Verkäufen 2012 mit dem Programm des Springer-Verlags zusammengeführt und in „Springer Vieweg“ umbenannt. Der ehemalige Stammsitz des Verlages in Braunschweig ist heute das Haupthaus des Braunschweigischen Landesmuseums. 5

Das Vieweg-Haus am Burgplatz in Braunschweig, heute Standort des Braunschweigischen Landesmuseums, Von M. Kruszewski – Braunschweigisches Landesmuseum, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25583756

Bereits 1999 konnte das Universitätsarchiv Braunschweig das Firmenarchiv des Vieweg Verlags übernehmen, darunter über 65.500 Briefe und Postkarten. Unsere Kolleg:innen haben diese Überlieferungen in zwei Beständen erschlossen und diese über das Archivinformationssystem Arcinsys zugänglich gemacht: Bestand V1 und Bestand V3. Eine umfangreiche Sammlung der veröffentlichten Bücher ist inzwischen Teil der Universitätsbibliothek.6

Albert Einstein im Vieweg Verlag

Originalausgabe von Albert Einsteins „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie“ aus dem Jahr 1917 im Bestand der UB Braunschweig. Foto: M. Wrehde, 2022

Bereits als junger Physiker an der Berner Universität weckte Albert Einstein so manche Begehrlichkeiten verschiedener Verleger, so bemühte sich Alfred Ackermann-Teubner bereits 1907 erfolglos um einen Vertrag mit Einstein. Im selben Jahr trat auch der Hirzel Verlag an Albert Einstein heran, mit der Idee einer populär-wissenschaftlichen Publikation in Buchform, welche Einstein jedoch mangels Zeit nicht in die Tat umsetzen konnte.7 Erst zehn Jahre später gelang es dem Vieweg Verlag Albert Einstein als Autor zu gewinnen, da dieser die Gewissheit haben wollte, dass seine Relativitätstheorie auch verstanden wurde. Leider sind laut der Autorin Elke Flatau, deren Werk „Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor“ die wissenschaftliche Grundlage dieses Blogbeitrags darstellt, die Gründe warum Einstein sich nun ausgerechnet für diesen Braunschweiger Verlag entschied nicht besonders spektakulär. Aus dem geschäftlichen Ton der Korrespondenz zwischen Physiker und seinem Verlag lässt sich keine persönliche Bindung herauslesen, so dass Flatau vermutet, dass „Vieweg Einstein das Angebot schlicht zum richtigen Zeitpunkt machte“.8,9 Die erste Ausgabe von „Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie“ erschien 1917, die Erstauflage betrug 2000 Exemplare. Noch im selben Jahr druckte Vieweg für die zweite Auflage 1500 Stück nach.

Als 1919 die Allgemeine Relativitätstheorie bestätigt wurde, wurde das Buch ein Erfolg: Allein im Jahr 1920 ließ Vieweg 45.500 Exemplare drucken. Die Beziehung zwischen Einstein und seinem Verleger in Braunschweig war eine rein geschäftsmäßige und nicht von einer tiefen emotionalen Bindung geprägt, wie es andere Autor:innen mit ihren Verlagen erlebten. So erstreckt sich die Korrespondenz zwischen Einstein und  Vieweg hauptsächlich auf Vertragliches. Eine große Zerreißprobe stellte dabei die Verhandlung zwischen Einstein, Vieweg und Robert W. Lawson über eine englische Übersetzung seines Buches  dar, in deren Verlauf es zu Zwistigkeiten zwischen Einstein und Vieweg gekommen war.10 So verwunderte es dann auch nicht, dass Einstein bei seinem zweiten Vieweg-Titel dem Braunschweiger Verlagshaus nur noch die Rechte an der deutschen Ausgabe einräumte.11 Obwohl Albert Einstein im Herzen nicht der große Buchautor gewesen war, so bewies er laut Flatau doch ein Verantwortungsbewusstsein für die Pflege seines Buches und gewährleistete die Aktualität durch regelmäßige Korrekturen und Ergänzungen.12 Als 1933 der Nazi-Terror in Deutschland begann, beschloss Albert Einstein von einer Reise in die Vereinigten Staaten nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Nach und nach wurde seine Zusammenarbeit mit dem Vieweg Verlag verleumdet: Bereits ab 1935 wirbt der Verlag nicht mehr mit seinem Namen, seine Veröffentlichung verschwindet aus Regalen und Verzeichnissen. Im Allgemeinen wurden Einsteins Verdienste in den deutschsprachigen Naturwissenschaften verleumdet und geschmälert.13 Nach dem zweiten Weltkrieg versuchte der Vieweg Verlag erstmals 1947 die Beziehungen zu Albert Einstein wiederzubeleben und baten um seine Erlaubnis, sein Buch „Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie“ erneut drucken zu dürfen. Einsteins Antwort war unmissverständlich:

Erst 1954 stimmte Einstein einer Neuauflage seines Buchs zu, versehen mit einem Zusatz um sein „Büchlein“ auf den seinerzeit aktuellsten wissenschaftlichen Stand zu bringen. Nach Einsteins Tod 1955 wurden die Rechte an seinem Buch an die Hebrew University of Jerusalem übertragen. Auch nach seinem Tod besaß Albert Einstein großen symbolischen Wert für den Vieweg Verlag, Anlässlich seines 200. Firmenjubiläums warb der Verlag mit Albert Einstein als großes Aushängeschild. Eine Bühne die der Verlag seinem Autor beim letzten großen Jubiläum 1936 noch verwehrt hatte.15


Quellen

1. Vgl. Flatau, Elke: Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor, 2005, S.34f

2. Vgl. Küpper, Hans-Josef: Wissenschaftliche Publikationen Albert Einsteins, 2008(URL: https://www.einstein-website.de/z_physics/wisspub.html#:~:text=In%20den%20Jahren%20von%201901,annus%20mirabilis%20%2D%20hatte%20er%201905, Abrufdatum: 08.04.22).

3., 4. Vgl. Flatau, Elke: Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor, 2005, S.48

4., 4. Vgl. Flatau, Elke: Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor, 2005, S.48

5. Vgl. Wikipeda: Vieweg-Verlage, 2022 (URL:https://de.wikipedia.org/wiki/Vieweg_Verlag, Abrufdatum: 08.04.22)

6. Vgl. Technische Universität Braunschweig, Universitätsarchiv: Bestände und Recherche, 2021 (URL:https://www.tu-braunschweig.de/ub/universitaetsarchiv/bestaende-recherche, Abrufdatum: 08.04.2022)

7. Vgl. Flatau, Elke: Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor, 2005, S.53ff

8. Vgl. ebenda, S. 54f

9. Vgl. ebenda, S.55

10. Vgl. ebenda, S. 63ff

11. Vgl. ebenda, S.60

12. Vgl. ebenda, S.72

13. Vgl. Ebenda, S.61

14. Einstein an Vieweg, 25.3.1947. Vieweg-Archiv Braunschwei, V 1 E:18

15. Vgl. Flatau, Elke: Albert Einstein als wissenschaftlicher Autor, 2005, S.62 und S.73