Über Notunterkünfte ins eigene Haus

Im Februar 1972 wurde der Bibliotheksbau feierlich eröffnet. Nach Jahrzehnten des Umherziehens und immerwährenden Platzproblemen hatte die Bibliothek der TU Braunschweig ein neues Zuhause gefunden. Wir blicken in diesem Blogbeitrag auf die Zeit von 1945 bis 1972 zurück, als die Bibliothek durch die Kriegsfolgen gezwungen war mit Bestand und Personal mehrmals umzuziehen, bevor sie am heutigen Universitätsplatz 1 ihr Zuhause fand.

Ein (noch) leerer Bibliotheksbau (Bild: Stadtarchiv Braunschweig)

Eine Bibliothek wandert

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war auch das Hochschulgebäude der TU Braunschweig (damals noch Technische Hochschule Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, oder auch TH Braunschweig) nahezu völlig zerstört.

Die Bibliothek im Altgebäude (Bild: UB Braunschweig)

Dies betraf unter anderem auch die Bibliothek der Hochschule, die in dem Gebäude untergebracht war und nun mit ihrem erhaltenen Bestand und Personal eine neue Bleibe brauchte. Zuerst kamen Bücher Bibliothekar:innen in einem unversehrten Gebäude an der Schleinitzstraße unter. Bereits im Juni 1945 konnte die Leihstelle den Betrieb wieder aufnehmen. Ihre Bestände waren damals noch an weiteren Standorten ausgelagert, die jedoch aus den verschiedensten Gründen dort nicht verbleiben konnten und nun zurückgeholt werden mussten. Während die Bibliothek viele ihrer Bände in Regalen ausstellen konnte, sah es für die zurückgeholten ausgelagerten Bestände schlechter aus. Aus Platzgründen mussten diese auf bis zu 3 Meter hohen Stapeln aufgetürmt werden und waren aufgrund der zerstörten Bibliothekskataloge nur aus dem Gedächtnis des Bibliothekspersonals wieder aufzufinden. Trotz dieser Schwierigkeiten erfreuten sich die Bibliotheksbestände großer Beliebtheit, als im Wintersemester 1945/46 der Lehrbetrieb wieder aufgenommen wurde.

Und immerhin konnte die Bibliothek einige Raumzuwächse für sich verbuchen und ab März 1948 sogar die Zeitschriften wieder bestellbar machen. Leider fehlte weiterhin der Platz für einen notwendigen Lesesaal und die räumliche Trennung von Bibliothek und Magazin hatte eine Wartezeit von mehreren Tagen auf bestellte Literatur zur Folge. Aber immerhin waren die Bibliotheksbestände so nutzbar und die Bibliothek blieb bis 1950 an ihrem Standort. In dem Jahr erreichte der Wieder- und Umbau des Hochschulgebäudes auch die Räumlichkeiten der Bibliothek, welche daher in eine große Fabrikhalle der Brunsviga-Rechenmaschinen an der Hamburger Straße umzog. Hier wurden zum ersten Mal nach sieben Jahren die Bestände und das Bibliothekspersonal in einem Gebäude wiedervereint und sogar ein Lesesaal mit 25 Arbeitsplätzen konnte den Studierenden hier angeboten werden. Durch die räumlichen Gegebenheiten war es der Bibliothek möglich, alle ihre Bände in Regalen aufzustellen und so eine Sofortausleihe zu ermöglichen. Ein Service, der vor allem durch die nun große Entfernung der Bibliothek zur Hochschule mehr als nötig war. Die Trennung war es auch, welche der Bibliotheksleitung immer wieder vor Augen führte, dass dieser Standort trotz aller Vorzüge immer nur zweite Wahl sein würde.

Arbeit mit Bücherstapeln (Bild: UB Braunschweig)

Zurück ins Altgebäude

1953 war die Lage der TH Braunschweig schlecht, zwar wurde das Hauptgebäude fertiggestellt, doch die Mittel und Möglichkeiten der Hochschule waren trotz wachsender Studierendenzahlen begrenzt. Noch dazu musste die Bibliothek aufgrund steigender Auftragszahlen der Brunsviga-Rechenmaschinen abermals umziehen und kehrte in das Kellergeschoss des Hochschulgebäudes zurück. Hier fehlte es wieder an Platz: Man konnte den Studierenden zwar einen Lesesaal mit 25 Arbeitsplätzen und eine funktionierende Leihstelle anbieten, aber abermals mussten die Bücher gestapelt werden. Dieser Umstand, sowie Personalmangel machten einen Erhalt der Sofortausleihe unmöglich und so musste dieser Service eingestellt werden.

Proteste für einen Bibliotheksbau (Bild: Stadtarchiv Braunschweig)

 

Die Zeit im Altgebäude war geprägt vom Kampf um neue Räume, die Magazinräume wuchsen trotz klammer Kassen immer weiter und den 4000 Studierenden wurde der Lesesaal mit seinen 25 Arbeitsplätzen bald zu klein. Die Hochschule half immer wieder durch das Schaffen neuer Räume, jedoch handelte es sich dort immer nur um Notlösungen, beispielsweise Wohnungen, in denen man die Bücher aufgrund schwacher Decken nur in kleinen Stapeln an den Wänden entlang aufstellen konnte. Erst 1968 konnte man den letzten Bücherstapel auflösen und sauber einstellen. Dennoch waren die 1960er geprägt von kreativen Raumlösungen sowie dem Aufteilen von Beständen und Auslagern von Betriebsstellen wie beispielsweise der Dissertationsstelle. Doch es gab Hoffnung auf eine baldige Verbesserung, denn an der TH nahmen die Pläne für einen einheitlichen Forumsplatz mit eigenem Bibliotheksgebäude Form an.

Dort waren bereits 1958 das Auditorium Maximum und zwei Jahre später das Rektoratsgebäude entstanden. Hier sollte nun als drittes Gebäude ein eigener Bibliotheksbau entstehen, die Frage war nur: Wie groß sollte der Bibliotheksbau denn werden? Eine Frage, deren Antwort ständig variierte. Ging die erste Schätzung von einem Raumbedarf von 500.000 Bänden aus, wich der Bibliotheksausschuss 1961 aus Angst vor einem Baustopp bereits von dieser Zahl ab und hätte sich auch mit einem Magazin für 400.000 Bände, sowie einem zukünftigem Außenmagazin für 200.000 Bände zufriedengegeben. Gleichzeitig hielt das niedersächsische Kultusministerium einen Magazinbedarf von 600.000 Bänden für angemessen und so verzögerte sich der Bibliotheksbau immer weiter. Als 1965 immer noch kein Baubeginn abzusehen war, warnte der Bibliotheksauschuss, dass eine kleine Bibliothek immer noch besser als keine sei und derzeit habe die Hochschule effektiv keine und dass jede weitere Verzögerung den Status der Bibliothek als schlechteste Bibliothek der Republik sowie schwere Folgen für ein echtes Studium in allen Fakultäten mit sich brächte.

Unter dem eigenen Dach

Schon fast fertig: Die Universitätsbibliothek (Bild: Stadtarchiv Braunschweig)

Nach langen Verhandlungen und weiteren Verzögerungen wurde erst am 16. März 1969 mit den Arbeiten an einem für die Bundesrepublik architektonisch „bedeutenden Bibliotheksneubau“ begonnen. Der Bauherr war die Niedersächsische Hochbaugesellschaft, die Planung übernahmen dabei die Architekten Prof. Dr.-Ing. Friedrich Wilhelm Kraemer Dipl.-Ing. Günter Pfennig, Dr.-Ing. Ernst Sieverts, Mitarbeiter Dipl.-Ing. Hans-Ludger John. Besonders für die damalige Zeit war, dass das Gebäude von vorneherein als Bibliotheksbau geplant worden war. Die Bauweise als geschlossener Beton-Kubus sollte die Aufgabe einer Universitätsbibliothek als abgeschirmte Denkzelle nach außen erkennbar werden lassen, so der Architekt Prof. Dr.-Ing. Friedrich Wilhelm Kraemer, der auch an der TH Architektur lehrte. Eine Verbindung der Bibliothek zum Forumsplatz sollte durch eine großzügige Verglasung geschehen, das Haus in sich sollte überschaubar sein und die verschiedensten Bereiche wie Katalograum, Information, Leihstelle und Lesesäle in einem Raum zusammenfassen. Eine Vereinheitlichung des Innenraums wollte man auch durch eine Einheitlichkeit der Material- und Farbwahl erzielen. Grauer Sichtbeton der Konstruktion, den man durch einen kräftigen orangefarbenen Teppichboden kontrastierte und so die Oberfläche durch Flammstrahlung lebendig strukturieren wollte.

Der Bibliotheksbau bot im Magazin 600.000 Bänden Platz und die Lesesäle auf drei Stockwerken hatten Platz für ca. 350 Arbeitsplätze. Insgesamt standen der Bibliothek nun eine Nutzfläche von ca. 8000 m² zur Verfügung welche ab Mitte Juli 1971 bezogen werden konnten, darunter der Bibliotheksbestand aus ca. 400.000 Bänden, welche aus sieben verschiedenen Lagerungsorten hier wieder zusammengeführt werden konnten.

Am 5. Februar 1972 konnte das neue Gebäude mit einem Festakt eingeweiht werden.

Alt gegen Neu (bzw. damals Neu gegen heute alt). (Bild: UB Braunschweig)


Dieser Blogbeitrag beruht auf:
Nagel, Beate (1988): Zur Geschichte der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Braunschweig 1748 – 1972. Braunschweig: Universitätsbibliothek.
(= Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs Braunschweig).
Ich bedanke mich bei Frau Nagel für die schöne Lektüre zur Geschichte unserer Bibliothek.