Vor 275 Jahren immatrikulierten sich die ersten Studenten

Heute kennt jeder Studierende seine Matrikelnummer. Er bekommt sie nach seiner Immatrikulation und sie begleitet ihn durch sein ganzes Studium. Sie ist auf seinem Studentenausweis zu finden und er muss sie immer wieder angeben, z. B. wenn er sich zu Prüfungen anmeldet. Wenn er sein Studium beendet hat, muss er sich schließlich exmatrikulieren. Doch was ist diese Matrikel?

Erste Seite aus dem Matrikelbuch 1745 – https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:084-19148

Wie viele Begriffe im universitären Bereich stammt der Begriff Matrikel aus dem Lateinischen und steht für eine Liste. In diesem Fall für die Liste aller Studenten der TU Braunschweig. Die erste Liste findet sich im Matrikelbuch aus dem Jahr  1745. Dieses großformatige Buch findet sich im Universitätsarchiv und ist auf den ersten Blick nichts anderes als das: eine lange Liste der Studenten.

Dort ist zu sehen, dass die ersten zwei Studenten sich am 29. Juni 1745 eintrugen. Es waren August Wilhelm Hassel aus Wolfenbüttel und Justus Ludovicus Daniells Lambrecht aus Braunschweig. Und schon fällt der erste Unterschied zu heute auf: Jeder Student trug sich selbst per Hand ein. Die Seiten sind mit den unterschiedlichen Handschriften der Studenten gefüllt und zeigen, dass die Immatrikulation genau das war: sich in die Matrikel einzutragen. In den ersten Jahren wurden die Eintragungen noch einfach gehalten. Die Studenten hatten damals noch keine Matrikelnummer. Was auch nicht verwunderlich war, da im ersten Semester nur 47 Studenten eingeschrieben waren. Doch mit der Zeit und der Entwicklung des Collegiums änderte sich das.

Eintrag von Gauss im Matrikelbuch https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:084-19148

Ab 1778 wurde den Studenten eine fortlaufende Nummer zugeordnet. So kommt es zum Beispiel dazu, dass der Mathematiker Carl Friedrich Gauß die Matrikelnummer 462 erhält, obwohl er der 1177. Student an der Hochschule war. Er trug sich auch selbst in die Matrikel ein und verwendete dafür noch seinen ersten Vornamen Johann, auf den er später verzichtet hat. Die Reihenfolge der anderen beiden Vornamen würde er später ebenfalls ändern. Man findet seinen Eintrag auf der Seite 48 des Matrikelbuches.Der Name und der Tag der Immatrikulation waren lange die einzigen Informationen, die im Matrikelbuch erfasst wurden. Erst 1814 wurden Angaben zum Studienfach der Studenten eingetragen. Und am Ende des 19. Jahrhunderts werden die Eintragungen wiederum umfangreicher und man findet neben den Namen der Studenten auch Angaben zu ihren Vätern und deren Stand und Beruf. Es wurde auch damit begonnen, das Datum der Exmatrikulation zu erfassen. Im 20. Jahrhundert werden weitere Daten der Studenten erfasst. Die wachsende Anzahl von Studierenden erfordert eine bessere Verwaltung und so wird ab 1930 zusätzlich mit Karteikarten gearbeitet.

 

Doch das Matrikelbuch gibt nicht nur Auskunft über die Studenten, deren Familien oder Studienfächer; sondern es gibt auch Einblicke in verschiedene Ereignisse der Geschichte der Hochschule. Wenn man das Matrikelbuch von 1745 betrachtet, fällt auf, dass sich zwischen 1808 und 1814 keine neuen Studenten immatrikuliert haben. Das ist darauf zurückzuführen, dass in dieser Zeit das Collegium aufgelöst wurde und an dessen Stelle die Königlich-Westfälische Militärschule gegründet wurde. Diese nach französischem Vorbild geformte Militärschule wurde vom König Jerome Bonaparte eingerichtet und hierfür wurde ein neues Matrikelbuch verwendet. Nach der Wiederherstellung des Herzogtums Braunschweig und des Collegium Carolinum wurde wieder auf das alte Matrikelbuch von 1745 zurückgegriffen. Doch nicht nur diese Lücke im Matrikelbuch erzählt eine Geschichte. Wenn man die Namen durchgeht, fällt schnell auf, dass sich dort keine einzige Frau eingetragen hat. Dies ist darauf zurückzuführen, dass erst ab 1909 Frauen zum Studium zugelassen wurden und 1898 ein eigenes Matrikelbuch bekommen hatten.  So wurden Frauen, die an der TU Braunschweig zuerst als Zuhörerinnen und später als Studentinnen zugelassen wurden, separat erfasst. Doch sie stellen nicht die einzige Gruppe von Besuchern der Hochschule da, die eine Spezialmatrikel bekamen. Zuhörer, die Vorlesungen besuchten, aber keine Prüfungen ablegten, wurden ebenfalls in einer separaten Matrikel erfasst. Diese Matrikel für Zuhörer und Gasthörer ist ebenfalls interessant, da man dort unter anderen den Schmiedegesellen Heinrich Büssing findet, der von 1862 bis 1866 Vorlesungen besuchte. Er unterstützte in den folgenden Jahren die Hochschule und wird 1909 zum Ehrendoktor ernannt.

Wer sich diese Matrikelbücher gerne selbst anschauen möchte, kann dies in der Digitalen Bibliothek der UB Braunschweig unter folgendem Link tun: https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/content/collections/brunsvicensien/matrikelbuecher.xml

Siehe auch die bearbeitete Zusammenstellung der Matrikel von Peter Düsterdieck: http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00022660