Der Märchenkeller in der UB

Zugegeben, in der Universitätsbibliothek einer Technischen Universität vermutet man sicherlich nicht unbedingt einen Märchenkeller, ich selbst musste kurz überlegen, als ich über diesen Begriff stolperte und doch gibt es ihn. Leider ist der Keller optisch eher Bibliotheksmagazinalltag denn Märchen, den Namen verdankt dieser Teil des Bibliotheksmagazins also schon mal nicht seinem Aussehen. Diesen Spitzname trägt das Magazin aufgrund der Kinder- und Jugendbuchsammlung, die dort aufbewahrt wird und die wir Ihnen in diesem Beitrag näherbringen wollen.

Die Kinder- und Jugendbuchsammlung der UB Braunschweig

Bücher im „Märchenkeller“ Foto: H. Peters / © TU Braunschweig, 2017


 

Geschichte

Sammlung Hobrecker
Die Geschichte unserer Kinder- und Jugendbuchsammlung beginnt mit einem Mann names Karl Hobrecker, der 1876 im heute nordrhein-westfälischen Westig  geboren wurde. Nach seinem Abitur begann Hobrecker ein Chemiestudium, erst in Lausanne und später in Göttingen. Jedoch zwang ihn eine Phosphorvergiftung kurz vor seiner Promotion zu einem Studienabbruch. Diesem Abbruch folgte eine Ausbildung zum Photochemiker in Frankfurt, 1906 heiratete er. Hobrecker fühlte sich in der industriellen Welt nicht wohl und trat 1908 eine Lehrstelle in Berlin an. In diesem Zeitraum muss in Hobrecker auch die Sammelleidenschaft für Kinderbücher geweckt worden sein, die wohl auch seine Frau Margaretha erfasst haben muss, hieß es doch in einer Beilage zur Nationalen Zeitung vom 23. Oktober 1932:

                „Karl Hobrecker und auch seine Frau haben sich ein Vierteljahrhundert lang sehr schinden müssen, um die anerkannt schönste und größte Kinderbuchsammlung der Erde beisammen zu bekommen.“[1] 

Einmal von der Sammelwut gepackt, ließen sich Karl und Margaretha auch nicht vom ersten Weltkrieg abhalten;  in der NS-Zeit fungierte Hobrecker als Kurator der Reichsjugendbücherei. Während des Krieges wurde die Wohnung der Hobreckers durch Bomben zerstört, glücklicherweise hatte Karl vorher  bereits die Bestände der Reichsjugendbücherei aus Berlin schaffen lassen. Das Ehepaar Hobrecker verließ Berlin ebenfalls und wohnte ab 1946 in einem Altenheim in Hemer. Im selben Jahr verstarb Magaretha Hobrecker, während Karl trotz aller Widrigkeiten und persönlicher Schicksalsschläge wieder zu arbeiten begann. Am 22.06.1949 starb auch Karl Hobrecker. [2]
Kinder- und Jugendbuchsammlung
Ein Teil der ausgelagerten Bestände der Reichsjugendbücherei fand nach dem 2. Weltkrieg an der damaligen Kant-Hochschule (ab 1947 Pädagogische Hochschule) in Braunschweig eine neue Heimat (ein kleinerer Teil ist als Dauerleihgabe im Institut für

Das älteste Buch der Sammlung von 1565: Fabeln von Aesop
Foto: H. Peters / © TU Braunschweig, 2017


Jugendbuchforschung der Universität Frankfurt). Aus diesen Büchern, zu deren wertvollsten Vertretern die Sammlung von Karl und Margarete Hobrecker zählt, entstand unsere heutige Kinder- und Jugendbuchsammlung. Zuerst erweiterte die Pädagogische Hochschule die Sammlung, nach ihrer Zusammenlegung mit der Technischen Universität Braunschweig und deren Bibliotheken ging die Sammlung 1971 in unser Haus über, wo sie weiter ausgebaut wurde. Ein beachtlicher Teil der Zugänge stammt dabei aus Schenkungen unterschiedlichster Quellen, unter anderem circa 950 englische Kinderbücher von einem Braunschweiger, der viele Jahre in London verbrachte.
 
1999 wurden uns die Verlags- und Bucharchive des Verlages Vieweg übergeben, neben Briefen von Hans-Christian Andersen oder Sophie Frömmichen (u.a.) kamen etwa 100 Kinderbücher des Verlages in unsere Sammlung.
Weitere bedeutende Zuwächse unserer Sammlung stellen die Schenkungen des Braunschweiger Oberstudienrats Walter Nieder, die Schenkungen der bei Braunschweig lebenden Kinderbuchautoren und -illustratoren Margret und Rolf Rettich, eine große Schenkung des renommierten Berliner Kinderbuchverlages und 2012 die Schenkung der Erben der Autorin Barbara Bartos-Höppner dar.[3]

Die Beatles als Pop-Up, aus „The Beatles Story“ by Rob Burt and Michael Wells. Illustrations by Mike Peterkin and Pete Campbell
Foto: H. Peters / © TU Braunschweig, 2017


Die Sammlung heute

Zahlen und Fakten

Die Nibelungen, von Franz Keim, Bilder und Ausstattung von C. O. Czeschka
Foto von H. Peters / © TU Braunschweig, 2017


Unsere Kinder- und Jugendbuchsammlung umfasst über 27.000 Bände in verschiedenen Sprachen und für unterschiedliche Altersstufen. Das älteste Buch in der Sammlung stammt aus dem Jahr 1565 und beinhaltet die Fabeln von Aesop (im Katalog ansehen). Doch nicht nur alte Bücher finden ihren Weg in unsere Sammlung, auch moderne Literatur findet ihren Eingang in unseren Märchenkeller. So wächst unsere Sammlung immer weiter.
Benutzung
Alle Bände der Kinder- und Jugendbuchsammlung sind über unserern Katalog recherchier- und bestellbar. Grundsätzlich sind diese Bände für unsere Nutzerinnen und Nutzer nicht entleihbar und können lediglich im Sonderleseraum der Leihstelle eingesehen werden. Im Sonderfall sind jedoch Ausnahmen möglich.
Etwa 840 historische Kinder- und Jugendbücher sind bereits in digitalisierter Form in unserer Digitalen Bibliothek vorhanden und können dort kostenlos angesehen und heruntergeladen werden. Ebenfalls stehen Mikrofilme mit ausgewählten Kinderbüchern zur Verfügung.

Ziehbilderbuch "Lebende Bilder" von L. Meggendorfer München, [1887], 
Ziehbilderbuch "Twinkling pictures" with verses by L. L. Weedon. Pen 
and ink sketches by Popgun, 1899

Maßnahmen zum Erhalt der Sammlung
Neben der Digitalisierung und Verfilmung ausgewählter und vom Zerfall bedrohter älterer Buchbestände, begann die UB mit Mitteln des Landes Niedersachsen die Massenentsäuerung von Kinderbüchern. Das Verfahren hatte sich in der UB bereits der Entsäuerung pharmazeutischer Bestände bewährt und zeigt auch hier gute Erfolge.
 

Und nochmal die „Fab Four“, aus „The Beatles Story“ by Rob Burt and Michael Wells. Illustrations by Mike Peterkin and Pete Campbell
Foto: H. Peters / © TU Braunschweig, 2017


 
Literatur

Links

Ansprechpartner:
Dr. Beate Nagel, Tel. 0531-391 5012, e-Mail: b.nagel@tu-braunschweig.de
Quellen
[1] Der „Garten der Unschuld“ am Lietzensee. Die größte Kinderbuchsammlung der Welt gehört einem Charlottenburger Privatgelehrten, in: National Zeitung vom 23.10.1932, Beilage
[2] vgl. Mahn, Michael: Karl Hobrecker – ein deutscher Sammler: e. Beitrag zur Geschichte d. Kinder- und Jugendbuchliteratur / Herzberg: Bautz, 1987, S. 43ff
[3] Nagel, Beate: Kinderbuchsammlung der Universitätsbibliothek Braunschweig (2017), unter: https://ub.tu-braunschweig.de/recherche/kinderbuch.php (Aufruf 29.06.2017)